Begehung der Tour „Zwischen den Toren“ VII- (VI+/A0) in der Wetterstein-Westwand
Am vergangenen Sonntag war es endlich einmal wieder soweit – ein paar SMS, ein Anruf und das Ziel für den Tag war entschieden. Die von November 2005 bis Juli 2006 von Karlheinz Grübler und Peter Spielmann eingebohrte Tour „Zwischen den Toren“ VII- (VI+/A0) sollte es dieses Mal werden. Also wurde am Vorabend das Kartenmaterial gewälzt und „Tante Google“ mit den entsprechenden Suchbegriffen gefüttert. Ergebnis dieser Recherche waren folgende Rahmendaten:
Schwierigkeit: 7- (6+/A0)
Wandhöhe: 1000m
Kletterlänge: ca. 1300m
Zustieg: ca. 1,5h
Kletterdauer: 6-10h
Abstieg ohne Seilbahn: ca. 5h
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Es stand also fest, dass das gemütliche Sonntagsfrühstück wohl ins Wasser fallen würde und uns am Montag ein leichter Muskelkater bevor stand. Doch was gibt es vorab zu dieser Tour zu sagen. Die Tour verläuft wie im unteren Bild ersichtlich relativ zentral durch die Wetterstein-Westwand (Tour C) und tritt ähnlich wie die Wetterkante (Tour F) als sehr markanter Felsgrat in Erscheinung. Dieser Grat ist im Aufstieg durch das Gamskar ganz markant auf der rechten Seite erkennbar. Wie in den bisherigen Routenberichten schon geschildert – und auch von uns selbst festgestellt – glänzt die „Zwischen den Toren“ durch nicht immer ganz festes Gestein, was jedoch für die Westwand nicht unbedingt ungewöhnlich ist. Der Untertitel zu diesem Tourenbericht könnte also „Karwendelbruch im Wetterstein“ lauten, jedoch möchten wir die Tour wirklich nicht schlecht reden, denn das ist sie mit Sicherheit nicht.
Zustieg (ca 1:30h)
Unserer Ansicht nach geht der Zustieg über die Schuttfelder des Gamskars und den anschließenden Höhenrücken am schnellsten und kraftsparendsten. Dieser weicht von dem oben im Bild gepunkteten Weg zur Route C etwas ab, daher möchten wir ihn an dieser Stelle noch einmal kurz beschreiben.
Vorab, wir haben für diesen Zustieg vom Parkplatz der Ehrwalder Zugspitzbahn bis zum Einstieg der Klettertour 1:20h gebraucht. Das deckt sich in etwa mit den Zustiegszeiten der anderen Begeher. Startpunkt ist also wie gesagt die Ehrwalder Zugspitzbahn. Von dort aus folgt man einfach dem ausgeschilderten Weg zur Zugspitze über die Wiener-Neustätter-Hütte. Nach ca. 40 Min und auf einer Höhe von ca 1600HM erreicht man das Ende des Latschenbewuchses.
Rechter Hand sieht man schon gut sichtbar den Grat über den die Route nach oben verläuft. Unterhalb des Grates befindet sich ein Höhenrücken den es nun zu überqueren gilt, da sich der Einstieg auf der anderen Seite befindet. Man verlässt also den Weg zur Zugspitze und biegt auf die Geröllfelder nach rechts (Richtung SSO) in Richtung Höhenrücken ab. Den Blick den ihr dann haben solltet gibt das nächste Bild in etwa wieder.
Hat man die Geröllfelder gequert, sieht man einem kleinen Steig der sich von links nach rechts dem Höhenrücken hochzieht. Diesem Steig folgen, da er Einen quasi über den gesamten Höhenrücken hinweg führt. Es geht erst steil bergauf, dann kommt eine Querung und schließlich steigt er noch einmal steil bergauf.
Schließlich erreicht man die andere Seite des Höhenrückens. Hier einfach nach links abbiegen und immer bergauf ansteigen – man kann sich hier immer an der linken Seite des Schuttfeldes halten. Ist man schließlich am oberen Ende des Schuttfeldes angekommen – auf ca 1800HM – muss man nur noch 75-100m nach rechts queren und erblickt in einer Rinne gut sichtbar den Einstieg. Dieser ist mit zwei Expressankern, die mit einem Seil verbunden sind und einem etwas ausgebleichtem rotem „E“ markiert – kann man quasi nicht übersehen!
Klettertour „Zwischen den Toren“ 7- (6+/A0)
Ist man schließlich am Einstieg angekommen kann man gleich den Charakter der Tour im unteren Bereich erkennen – sie ist für alpine Verhältnisse in diesem Abschnitt gut bis sehr gut abgesichert. Unserer Ansicht nach verändert sich dies aber im Laufe der Tour. Während man unten (ca. Seillängen 1-14) schon fast von einer plaisir-mäßigen Absicherung und einigen wirklich netten Seillängen in relativ festem Fels reden kann, sind die Seillängen im oberen Bereich (ca Seillängen 15-24) teilweise doch eher etwas alpiner abgesichert und man muss schon etwas vom Haken wegklettern. Außerdem nimmt die Felsqualität im oberen Bereich unserer Ansicht nach auch deutlich ab. Hinzu kommt noch, dass auch die Kletterschwierigkeiten im oberen Bereich auch deutlich höher sind. Wem also im unteren Bereich die Hakenabstände zu weit, der Fels zu schlecht, die Stände zu schwer zu finden und die Bewertung zu hart ist, dem würden wir ein Umkehren nahe legen. Es wird oben wirklich nicht besser. Doch genug Schlechtes über die Route gesagt.
Nach der ersten Eingewöhnungsseillänge im 4. Schwierigkeitsgrad kommt gleich das „Testwändli“ mit einer 3-Meter-Einzelstelle im 6. Grad. Die Erschließer geben hier im Topo an, dass wenn hier schon jemand Schwierigkeiten hat, dass er doch besser umkehren soll – dem können wir uns wirklich nur anschließen. Nach diesem kleinem Aufschwung reihen sich einige ganz nette Seillängen im vierten und unteren fünften Schwierigkeitsgrad an, die recht schöne Kletterpassagen für einen bereithalten. Wie bereits gesagt, ist hier die Absicherung wirklich sehr gut und auch der Fels eher fest.
In der 10. Seillänge warten dann erneut ein paar Kletterstellen im 6.Grad wobei uns dieser Bewertung als eher etwas zu hart vorkam. Man kletteret erst durch ein Geflecht von riesigen Felsblöcken und hat dann einen Felsaufschwung zu bewältigen. Stellt aber wie bereits erwähnt keine größere Schwierigkeit dar. An dieser Stelle hat man den in der unten aufgeführten Übersicht bezeichneten „Kantenkopf“ passiert.
Die Seillängen 10-18 stellen hinsichtlich der Schwierigkeit keine Probleme dar. Allerdings merkt man hier die zunehmend schlechter werdende Felsqualität und auch die Absicherung wird etwas alpiner, wobei man trotzdem noch von einer guten Absicherung reden muss. Hier sollte man möglichst wenig Zeit und Kraft verschwenden und zügig durchklettern. Am Ende der 18. Seillänge kommt ein steiler Felsaufschwung. Vor diesem ganz nach links queren bis man an eine Verschneidung mit einem Normalhaken kommt. In dieser ca 5 Meter hohen Verschneidung macht es durchaus Sinn noch zu sichern. Im Anschluss sind wir selbst die nächsten 150 – 200HM dann ohne Seil geklettert, da hier nur der 2 und 3 Grad abverlangt wird und das Gestein auch nicht völlig brüchig ist. Wenn man sich einfach immer gerade nach oben hält kommt man unweigerlich auf eine kleine, relativ ebene Freifläche vor einem erneuten Aufschwung. Diese Stelle ist im Topo als Biwakplatz und als letzte Möglichkeit für die Umkehr angegeben. Laut Topo soll das Abseilen von hier rund 4 Stunden in Anspruch nehmen. Allerdings muss man schon klipp und klar sagen, dass ein Abseilen von dort vermutlich wirklich die Hölle wäre. Steinschlag im Sekundentakt und Seilverhängen wären hier zu 100% vorprogrammiert. Wenn man sich noch ein wenig fit fühlt würde ich hier eher die „Flucht nach vorne“ antreten und die schweren Stellen technisch gehen – das ist aber meine persönliche Meinung und die Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen.
In jedem Fall bietet sich am Biwakplatz eine kurze Pause an, denn danach geht es dann doch etwas mehr zur Sache.
Zunächst ist noch ein kleiner unproblematischer Aufschwung auf eine „Monster-Schuppe“ zu machen, dann kommt zum einen das Tourenbuch aber auch die aus meiner Sicht schwerste Stelle der Tour. Die ersten 4 Meter der 21. Seillänge sind wirklich unangenehm. Direkt neben dem Buch geht die Tour über eine kurze, leicht überhängende aber extrem brüchige Stelle. Das Gestein ist seitlich geschichtet, wodurch sich ein paar nicht schlechte, sehr scharfe Seitgriffe auftun. Allerdings ist der Bereich für die Füsse so brüchig, dass vermutlich jeder Begeher hier eine andere Situation vorfindet. Auch mir selbst ist ein gutgeglaubter Tritt ausgebrochen und ich hing nur noch an beiden Armen. Auf dem unteren Bild sieht man den brüchigen Bereich in „sehr schönem frischem Gelb“. Die Stelle ist mit 7- und 6+/A0 angegeben. Ich selbst wäre jedoch nicht durch bloßes Hochziehen technisch vom ersten zum zweiten Haken gekommen, daher ist es aus meiner Sicht eher eine A1er-Stelle….aber es hat dann doch „frei“ geklappt. Da diese Seillänge dann auch noch knappe 60 Meter lang ist, kann ich nur jedem empfehlen nach den ersten beiden Haken in der Doppelseiltechnik weiter zu klettern. Andernfalls wird die Querung am Ende der Seillänge wirklich ein anstrengendes „Geziehe“.
Hat man diese erste Schlüsselseillänge geschafft kommt erst einmal wieder eine kleine Erholung. Jedoch sollte man in SL 22 unbedingt auf den Abzweig nach rechts zum Stand aufpassen. Dieser ist nicht wirklich auf Anhieb ersichtlich und nicht mit einem Orientierungshaken gekennzeichnet. Man muss einfach konsequent nach dem 5 Haken nach rechts raus zum Stand.
Die nächste Seillänge ist eher wieder eine Erholung wobei man trotzdem konzentriert bleiben sollte, es sind wirklich nur 3 Haken auf 45 Meter.
Dann kommt die letzte Hürde in der Tour – die 24 Seillänge. Die Seillänge erhält Ihre Schwierigkeit vornehmlich durch zwei Dinge – einmal einer Einzelstelle an einem Felsaufschwung (im Topo mit einem Schlüssel gekennzeichnet und zum anderen durch den enormen Seilzug der auf den 55m entsteht. Daher auch hier unbedingt mit Doppelseiltechnik klettern. Es gibt jedoch eine gute Nachricht für alle die in diesem Schwierigkeitsgrad Bedenken haben. Als wir die Tour gegangen sind hing vom oberen Stand noch ein Fixseil bis über die Schlüsselstelle ca 30 Meter hinunter. Man könnte als knapp 35 der 55m „bescheißen“ und sich hochziehen – haben wir natürlich nicht gemacht 🙂
Nach dieser Seillänge hat man es geschafft und kann in ca 10 Minuten zum schon lange sichtbaren Gipfelkreuz des Schneefernerkopfes aufsteigen. Auf der linken Hand lohnt sich auch ein Blick in den oberen Bereich der „Steilabfahrt Neue Welt“, die sich von hier bis nach Ehrwald runter zieht und im Spätwinter für alle guten Skifahrer, die auch abseilen können, ein Muss ist.
Abstieg (ca 5h)
Die Tour „Zwischen den Toren“ hat man nun geschafft. Leider steht das Auto noch ca 1800HM tiefer am Parkplatz. Daher heißt es nun vom Schneefernerkopf über den drahtseilgesicherten Steig auf den nördlichen Schneeferner am Zugspitzblatt abzusteigen. Von dort sieht man zum einen das Sonnalpin, von wo man mit der Bahn auf die Zugspitze und wieder ins Tal fahren kann. Entscheidet man sich für den Weg „per pedes“ dann erblickt man auf der linken Seite das Schneefernerhaus und einen Steig, der sich vom nördlichen Schneeferner zum Schneefernerhaus zieht. Diesem folgen und nach dem Schneefernerhaus nach oben steil durch Schuttfelder ansteigen bis man den markierten Klettersteig auf die Zugspitze erreicht.
Diesen Steig bis kurz unter die Bauten auf der Zugspitze folgen. Dort kommt ein Wegweiser „Wiener Neustätter Hütte“. Folgt man diesem kommt man über die Hütte nach ca 2,5 -3h in an der Ehrwalder Zugspitzbahn an – und DANN hat man es wirklich geschafft.
Fazit:
Wir selbst haben für die komplette Tour knapp 13 Stunden gebraucht und es hat sich nicht so angefühlt als wären wir unglaublich langsam gewesen. Nach 1:20h für den Zustieg hatten wir die Tour in knapp 7 Stunden geklettert und für den Abstieg noch einmal 4:30h gebraucht. Hier noch einmal eine kurze Übersicht über unsere Gehzeiten:
Treffpunkt Garmisch: 5:45 Uhr
Aufbruch Ehrwalder Zugspitzbahn: 6:20 Uhr
Einstieg in die Route: 7:40 Uhr
Biwakplatz in der Route: 13:10 Uhr
Ankunft am Ausstieg der Route: 14:30 Uhr
Zugspitze Abzweig zum Abstieg: 16:00 Uhr
Ankunft Parkplatz Ehrwalder Zugspitzbahn: 19:30 Uhr (inkl. 20 Min Bierpause auf der Wiener-Neustätter Hütte)
Noch ganz kurz zur Ausrüstung: Neben Helm, bequemen Kletterschuhen, Bandschlingen, Brotzeit, 1,5-2 Liter Trinken und der üblichen Alpinkletterausrüstung würde ich folgende Dinge empfehlen:
Seile: 2x 60m Halbseile
Expressen: 6x Expresse kurz (ca 11cm Schlinge) + 6x Expresse lang (17cm – 30cm Schlinge)
Mobile Sicherungsmittel: kleiner Satz Keile (je nach Kletterkönnen und Sicherheitsbedürfnis auch noch ein paar Friends)
Biwaksack: kleiner 2-Personen-Biwaksack
Alles in allem sollte man die Tour als alpinistisches Gesamterlebnis sehen. Das ist sie auf jeden Fall und wir können es allen Leuten, die sich für klassische Alpinkletterei begeistern können, nur empfehlen. Wer auf der Suche nach brillianten Kletterstellen in kompakten Fels ist, sollte auch weiterhin lieber ins Val di Mello fahren :-). Laut Tourenbuch haben wir seit Bestehen der Tour die 22. Begehung gemacht – die 3. im Jahr 2012. Sie wird also vergleichsweise selten begangen insofern tritt das Problem mit anderen Seilschaften vermutlich eher selten auf. Ich selbst möchte die Tour nicht klettern, wenn vor mir eine Seillschaft wäre. Es lässt sich einfach auch bei „högschder Kletterdisziplin“ nicht verhindern, dass man Steinschlag auslöst und das nicht nur einmal. Wenn ihr also am Einstieg schon eine Seilschaft in der Wand seht, würde ich eher verzichten….auch wenn es weh tut.
Wer also den Muselkater am nächsten Tag nicht scheut und bei brüchigem Fels nicht in Panik verfällt, der sollte die „Zwischen den Toren“ auf jeden Fall mal in Angriff nehmen.
Bergsportliche Grüße
Detlef und Michael